Die großen Verheimlicher – Vorteilsannahme vs. Transparenz

Die großen Verheimlicher – Vorteilsannahme vs. Transparenz

  • Bringen wir TTIP, Glyphosat, Panama, Türkei, VW, FIFA, Banken und Co auf einen Nenner
  • Die Regierung schützt das System und nicht die Wahrheit

161020_rz_andreas_lange_buchcover-lqDieser Beitrag diskutiert vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse Themen aus dem Buch ’Matrix-Kultur I’ und ‚Wo bleibt die Rebellion? Unternehmen in der Pflicht‚ (siehe Aktion zur Neuerscheinung). 

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Die großen Verheimlicher

Informationen werden zurückgehalten, dann selektiert und am Ende zu einem Coup gebündelt – geballte Informationen machen uns Blind für wichtige Details. 

Wer sich nicht informiert, bleibt dumm oder ist ignorant. Sich selbst Informationen vorzuenthalten – ein Zeichen von Unbewusstheit. Halten wir hingehen anderen Informationen vor, dann üben wir aller Wahrscheinlichkeit nach Vorteilsannahme aus. Zumindest dürfte das für die meisten Briefkastenfirmen, beim Handelsabkommen TTIP und CETA, bei der Neuzulassung von Glyphosat und beim Dieselskandal so der Fall gewesen sein.

„Ein Gramm Information wiegt schwerer als tausend Tonnen Meinung“ – so Gerd Bacher.

Reine Informationen sind ehrlich und direkt. Sie lösen das aus, wofür sie bestimmt sind. Genau vor diesen nicht steuerbaren Resonanzen haben Verheimlicher Angst. Der intransparente und undemokratische Prozess des Freihandelsabkommen TTIP gibt hier ein unrühmliches Beispiel ab:

Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen würden mit Sicherheit transparenter geführt werden, wenn hier nicht große Nachteile für Bevölkerung, Umwelt und lokale Unternehmen zu erwarten wären. Der Bevölkerung und auch Experten ist während der Verhandlungen keine Einsicht gestattet. Lediglich ausgewählte Abgeordnete dürfen in eigens dafür eingerichteten Räumen diese Vertragsentwürfe einsehen. Diese Abgeordneten müssen vorab unterschreiben, dass sie nicht über die Inhalte dieser Verträge öffentlich reden. Ein solches Prozedere hat nichts mit einem transparenten demokratischen Prozess zu tun? Und wäre er transparent, dann würde die Mehrheit ihn ablehnen. Für 0,01% versprochenes Wachstum, sollen Risiken für lokale Unternehmen, für Verbraucherschutz und für Umweltschutz eingegangen werden. Zu den Verlierern wird die Gesundheit, der Bürger und das Portmonnaie der Steuerzahler gehören. Sollten in Zukunft deutsche Verbraucher- und Umweltgesetze verschärft werden, dann haben amerikanische Unternehmen durch TTIP die Möglichkeit, diesen Wettbewerbsnachteil einzuklagen. Was bedeutet, dass der Staat, also die Steuerzahler für Schadensersatz aufkommen müssen.

Sigmar Gabriel hielt lange an TTIP (Freihandelsabkommen der EU mit den USA) fest, obwohl die Mehrheit seiner Parteibasis und Wählerschaft gegen dieses Abkommen war und ist. Seinem Amt als Wirtschaftsminister treu, opfert er auch in diesem Punkt seine Partei. Heute setzt sich Sigmar Gabriel für CETA (ein vergleichbares Abkommen mit Kanada) anstelle von TTIP ein. Kaum jemand wählt die SPD wegen CETA, aber eine Bewegung von mehreren Millionen Menschen wird die SPD wegen CETA oder TTIP nicht mehr wählen.

Die EU-Neuzulassung des Pestizids Glyphosat gewährt uns ein Vorausblick auf das, was uns nach Zeichnung von TTIP/CETA dauerhaft erwarten wird. Rückstände des Pestizids Glyphosat finden wir heute bereits im menschlichen Urin, aufgenommen über Lebensmittel, wie Bier und Brot. Warum gehen wir das Risiko Glyphosat überhaupt ein? Wieviele Menschen müssen erst erkranken? Das Ausweichen auf BIO-Produkte kann und will sich nicht jeder leisten.

Die WHO stuft Glyphosat krebserregend ein und die EU tut dies nicht. Vor der Neuzulassung von Glyphosat bestand die Öffentlichkeit auf Einsicht der vorhandenen Studien. Die WHO hat ihre Ergebnisse transparent gemacht aber die EU tat dies nicht.

Der Befürworter von Glyphosat, also die EU, veröffentlicht ihre Studien also nicht. Der Grund liegt auf der Hand: die Studien, auf die sich die EU-Institute ESA und Bfr beruhen, stammen großenteils vom marktführenden US-Unternehmen Monsanto. So wird plötzlich ein Schuh daraus: Man hält den Verbraucher tatsächlich für dumm – diese Zusammenhänge nachzuvollziehen. Anders ist diese Unverschämtheit nicht zu erklären.

Aber es geht noch weiter. Die Erfinder des Leseraums waren/sind abermals am Zuge. Wie auch schon bei TTIP, Monsanto (führender Hersteller von Glyphosat – Bayer bemüht sich derzeit um eine Übernahme) würde lediglich der Einsicht mittels Leseraum zustimmen. Das hat nichts mit Demokratie und Transparenz zu tun. Denn jeder, der solche ’Leseräume’ betritt, wird wie bei TTIP zum Schweigen aufgefordert.

„Wer nichts weiß, darf noch reden. Wer es bereits weiß, muss schweigen.“

Dumm sind diese Lobbyisten nicht und das macht diese großen Verheimlicher so gefährlich. Kurz vor der EU-Abstimmung, also am Tag zuvor, ist Deutschland umgekippt. Eine weitere Chance, unsere Landwirtschaft auf nachhaltigere Füsse zu stellen wurde mit der erneuten Zulassung von Glyphosat vertan. Befürwortet von einer Regierung, die uns im Punkte Panama jetzt vor der bösen Welt schützen möchte.

Was haben VW, FIFA und auch der deutsche Bankenverband gemeinsam? Alle haben ihre ’neuen’ Vorsitzenden aus den eigenen Reihen rekrutiert. Grundsätzlich finde ich es gut, wenn Mitarbeitern und Managern die Chance gewährt wird, im eigenen Unternehmen bis an die Spitze zu gelangen. Jedoch nicht, wenn diese Emporkömmlinge nur dazu dienen, die bestehenden Leichen im Keller zu belassen. Wer Teil (wissend oder unwissend) eines nicht sauberen Systems war, kann bei Übernahme von Führungsverantwortung keine wahren Reformen durchführen. Denn mit jeder Reform und jedem Aufklärungsschritt kann ehemaliges Handeln in Misskredit geraten. Mit einer ’neuen alten’ Garde besteht das permanente Risiko, dass diesen alten Neuen doch noch Mitwisserschaft oder Täterschaft nachgewiesen werden könnte. Bei Infantino, dem neuen FIFA-Präsidenten, hat das keine 100 Tage gedauert. Hier haben die Panama-Papers Verstrickungen im Rahmen seiner Zeit als FIFA-Funktionär aufgezeigt. Und bei Dr. Hans-Walter Peters hat es nur einen Tag lang gedauert. Denn gerade seine eigene Bank, ist in den Panamapapers mehrfach aufgefallen.

Ganz gleich, ob bei den neuen Alten ein Vergehen nachgewiesen werden kann, die Glaubwürdigkeit sinkt weiter. Unternehmen und Institutionen, die von derartig großen Skandalen gebeutelt worden sind, sollten solche Positionen besser mit „Außenstehenden“ besetzen, andernfalls verlängern sie die Unglaubwürdigkeit und erhöhen die Gefahr für langfristigen Schäden.

VW hatte es auf diese Weise verpasst, klar, ehrlich und transparent auf die amerikanische Öffentlichkeit und Behörden mit entschuldigenden Worten zuzugehen. Einem ausstehenden und wirklich neuen VW-Manager wäre dies leichter gefallen. Da aber auch der neue Aufsichtsratschef aus der alten Garde stammt, dürfte sich hier wohl nicht viel ändern. Erst wenn zur Aufbringung der verschleppten Skandalkosten erstes Tafelsilber verkauft werden muss, wird sich vielleicht etwas tun. Auffällig ist, wie schlecht das TOP-Management von VW der englischen Sprache mächtig ist. Auch an dieser beinah Nebensächlichkeit erkennen wir, wie wenig Diversity in der Unternehmenskultur von VW vorhanden war und ist.

Die Ausschüttung von Boni für VW-Topmanager, wie gerade erst bekannt geworden, runden die Unbelehrbarkeit des Konzerns ab. Boni für Top-Manager und das kurz vor den Verhandlungen mit der Belegschaft sowie den amerikanischen Behörden. Zur Verbesserung des Ansehens trägt ein solches Vorgehen ganz bestimmt nicht bei. Egal wie hoch nun die Boni am Ende sein werden, lediglich um 30% wollte das aktuelle Top-Management hier verzichten. Man hätte mit einem Verzicht, auch im Sinne der Belegschaft, ein Zeichen setzen können. Das hätte in Amerika einen besseren Eindruck hinterlassen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch Winterkorn auf seine Vorjahres-Boni besteht, für Jahre, als noch hohe Gewinne gemacht worden sind. Hier handelt es sich abermals nicht um verdiente Gewinne. Denn VW hatte sich unter Winterkorn die Entwicklung von (ehrlichen) schadstoffarmen Autos gespart und ganz nebenbei den Trend von E-Autos verschlafen. Einsparungen in Forschung und Entwicklung sowie die Ersparnisse durch frisierte Motoren machten erst die hohen Gewinne der letzten Jahre möglich. Ausgerechnet auf diese krankhaft ersparten Gewinne sollen verschwenderische Boni gezahlt werden. Warum hier aus Wut-Bürgern noch keine Wut-Mitarbeiter geworden sind, verstehe ich noch nicht.

Ähnlich zum Dieselgate begründete sich die letzte Finanzkrise. Im Kern hatte die Finanzkrise 2008 die gleichen Ursachen: intransparente Geldgeschäfte und Gewinnmaximierung. Staaten haben diese Praktiken zugelassen und als der Schaden bekannt wurde, waren plötzlich genug Mittel zur Begleichung der Krisenkosten vorhanden. Bezahlt haben hier ehrliche Sparer und Steuerzahler, welche sich keine Briefkastenfirmen gönnten. Bei VW werden es die Mitarbeiter und die europäischen Kunden sein. VW wird der Skandal 10-30 Mrd. Euro kosten. Für Schäden im Nachhinein steht dann plötzlich genug Geld zur Verfügung. Vorher wurde jeder Pfennig umgedreht, um u.a. etwaige Provisionen zu erreichen. Für Prävention, Entwicklung, Transparenz und Soziales stehen meist keine Mittel bereit. Hier sind Staat und VW kaum zu unterscheiden. Wie war das noch mal? Ist VW nicht zum Teil ein Staatsunternehmen?

Transparenz in den VW-Führungsetagen hätte die Zeichen auf Zukunft gesetzt. Transparenz in der Motorenentwicklung hätte überhaupt erst den Skandal verhindert. Und aufklärende Transparenz in der Schadensabwicklung hätte den Schaden begrenzt. VW ist noch nicht so weit.

Transparenz löst bei vielen Politikern und Managern regelrechte Beklemmungen und Angstzustände aus. Denn mit dem Dealen von heimlichen Informationen generieren sie ihr benötigte Scheinwissen. So werden Informationen zunächst zurückgehalten, dann selektiert und am Ende in gebündelter Ware als Wissen behauptet.

Wie bereits erwähnt: „Reine Informationen sind ehrlich und direkt. Sie lösen das aus, wofür sie bestimmt sind. Vor genau diesen nicht steuerbaren Notwendigkeiten haben Verheimlicher Angst.“

Nachrichten sind kein Ersatz für reine Informationen und Transparenz

„Wir agieren jetzt auf einem offenen Marktplatz für Einflussnahme“, so Jeff Jarvis. Anders formuliert: Auch wahre Nachrichten haben ein großes Potential zur Manipulation.

Zuerst werden mögliche Adressaten auf Entzug von Informationen gesetzt, um sie dann mit einer selektierten und geballten Ladung Nachrichten zu überrumpeln. Die geballte Nachrichtendosis ist dann so hoch, dass Zuhörer und Leser oftmals das Selbstdenken ausschalten. Mit diesem geschilderten Ablauf kritisiere ich nicht die Aufdeckung der Panama-Papers an sich. Ganz im Gegenteil, die Aufdeckungen kommen zur rechten Zeit. Denn die klaffende Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Und die Möglichkeit eine Briefkastenfirma zu gründen, befeuert diesen Trend.

Die Beweggründe der meisten Briefkastengründer dürfte steuerlicher Natur sein. Steuern, die dem Staat im Punkte Sicherheit, Bildung und hochwertige Nahrung jedoch fehlen. Letzteres gilt insbesondere für Schulen und Kindergärten. Öffentliche Bildungsstätten können sich in der Regel keine BIO-Lebensmittel leisten und verabreichen Glyphosat-haltige Lebensmittel, ohne dass sich hier Eltern und ihrer Kinder schützen können. Das intransparente Vergehen dieser groß angelegten Steuervermeidungsstrategien bleibt asozial.

Ein Jahr Vorbereitung waren für den Panama-Clou notwendig. Notwendig, um sich mit einem Knall mehr Gehör zu verschaffen. Aber auch bei diesem Knall wird aufgrund der Fülle und Dominanz der Nachrichten nicht genau hingesehen. Wir übersehen leicht, dass im Grunde genommen keine Briefkastensünder aus den USA benannt werden, zumindest keine berühmten Persönlichkeiten. Aus allen Länder der Welt waren diese Briefkästen zu verzeichnen, aber nicht aus den USA. Dies hatte wahrscheinlich folgende Gründe: Zum einen ist davon auszugehen, dass Amerika von diesen Panamapapers wusste, die Entdeckung sogar gefördert und bereits selbst auf die eigenen Steuersünder zugegangen ist.

Ein weiterer möglicher Grund: Amerikaner müssen nicht zwingend nach Panama ausweichen, denn die amerikanischen Bundestaaten Delaware, South Dakota und Wyoming sind bereits selbst zu ‚Steueroasen‘ geworden. Hier sitzen Millionen von Briefkastenfirmen. US-tolerierte Steueroasen. Ein Auszug der Rahmenbedingungen solcher Bundesstaaten: Buchführung und Bilanzen sind nicht notwendig – Belege müssen nicht aufbewahrt werden – und wer sich anwaltlich beraten lässt, muss nicht einmal mit Betriebsprüfungen rechnen. Je nach Bundesstaat werden gewisse Einkommensarten niedriger als sonst in den USA besteuert. Auf diese Weise hält USA ihre Großbesitzer und vor allem deren Devisen im Land. Dies ist eine notwendige Stütze der Währung Dollar. Insbesondere seit dem, die FED zu viel davon druckt. Da kamen die Panamapapers gerade recht, denn die von Panama verunsicherten Verheimlicher können jetzt in sichere US-Oasen fliehen.

Weltweit haben fast 100 Länder das Abkommen zum Informationsaustausch gegenüber ausländischen Steuerbehörden (AIA) unterschrieben. Ein Abkommen, dass es den Steuerprüfern eines Landes erlaubt, sich über die Einkünfte eines Bürgers in einem anderen AIS-Land zu informieren. Die USA haben AIA bisher nicht gezeichnet, obwohl sie zu den führenden Initiatoren gehörten. Kein Wunder, denn nur so profitieren die USA. AIA legt weltweite Steueroasen trocken und die aufgescheuchten Steuerflüchtlinge verschlägt es nach Delaware, South Dakota oder Wyoming.

Auch die immer noch akute Griechenlandkrise verlief nach dem bekannten Muster, verheimlichen, selektieren und dann die Bombe platzen lassen. Hier hatte eine geballte Ladung von Nachrichten dazu geführt, von den Machenschaften der Troika sowie von der Doppelmoral der deutschen Regierung und der deutschen Banken abzulenken. Das Großkaptal verdient bis heute an dieser Krise und das, ohne sie als solche zu lösen. Das dicke Ende kommt noch. Bis dahin zahlt der ärmere Teil der Griechen und am Schluss die europäischen Steuerzahler (Mehr dazu im zweiten Teil der Matrix-Kultur).

Oft entwickelt sich das Zurückhalten von Informationen mit komprimierter Entladung jedoch auch zum Eigentor. Als Beispiel seien hier Themen unserer Zeit genannt: das zu lange Vorenthalten von rechtsradikalen Delikten sowie das Verheimlichen von Straftaten von Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Informationen verheimlicht zu haben, hatte zum jeweiligen Gegenteil dessen geführt, was die Verheimlicher wohl bewirken wollten. Rechts-Extremismus bekämpft man nicht durch Totschweigen oder Wegsehen. Auf diese Weise wurden rechtsgerichtete Straftaten heimlich toleriert. „Schließlich richteten sich diese Straftaten gegen unsere größte Bedrohung!“. Zumindest wer den Parolen von AFD und Pegida glauben schenkt.

Und als dann Straftaten von Asylsuchenden plötzlich bekannt wurden, aber diese nicht in den Statistiken und Berichten auftauchen, lieferte man ausgerechnet Rechts zusätzliche Argumente für aufkeimenden Rassismus und Wut gegen den Staat. Hätte man von Beginn an, Straftaten von Asylsuchenden transparent gemacht, dann wäre allen sich selbst informierenden Bürgern aufgefallen, dass diese Quote, weit aus niedriger ist, als beim Ottonormaldeutschen. Pro-Transparenz: Eine ständige Veröffentlichung beider Zahlen und Fakten hätte hier mehr geholfen als geschadet.

Deutung

Nachrichten sind keine Informationen. Und Nachrichten verkommen oft zur Meinungsmache. Diese Meinung wird obendrein als Wahrheit verkauft. Informationen, Wissen, Nachrichten und Meinung entfernen sich in dieser Reihenfolge von der Wahrheit.

„Eine Information benötigt nichts für ihre Existenz. Sie kann alles (Impuls) für den Einen und zugleich wertfrei für den Anderen sein“.

Es ist müßig, darüber zu entscheiden, für wen, wann und welche Information mal wichtig ist oder werden könnte. Wir wissen nicht, wann eine Information an Bedeutung gewinnt. Es kommt auf den verwendeten Kontext an. Im Vorfeld ist es unmöglich alle Situationen vorzudenken, an denen diese auftauchen könnten.

Haben wir einer Information zu früh eine Bedeutung beigemessen, dann nimmt Meinung oder Nachricht die Stelle dieser Information ein. Stellen wir später eine Fehlinterpretation fest, dann fehlt uns oftmals die Quelle der Information. Wer unterliegt nicht der ständigen Versuchung, zum Beispiel für seinen Emaileingang sinnvolle Unterordner anzulegen. In dem Moment, in dem wir die Namen unserer Unterordner wählen, lagen meist aktuelle Schwerpunkte zu Grunde. Doch schon einige Zeit später benötigen wir ganz sicher wieder andere Kriterien. Der Volltextrecherche sei Dank, spielt heute die Anlage von Unterordnern keine große Rolle mehr.

Der Umgang mit Informationen und Wissen sollte heute Bestandteil einer modernen Ausbildung sein. Aufgeklärte Bürger und Mitarbeiter, sollten sich mit vorhandenen Informationen selbst führen können. Leider kommt dieser Ansatz in unserem Bildungssystem zu kurz. Zum einen stehen unserem Schulsystem nicht genügend Mittel zur Verfügung, allen sozialen Schichten eine ordentliche Ausbildung zu gewähren. Zum Zweiten ist unser Bildungssystem, was den Umgang mit Schülern und Ausfallzeiten angeht, vollkommen intransparent. Mehr zu diesem Thema demnächst hier in diesem Blog.

Informationen der Gemeinschaft gehören der Gemeinschaft.

Eine freie Informationsgesellschaft braucht transparente Räume für mehr Gerechtigkeit. Das Thema Datensicherheit wird allzu gerne zur Verhinderung notwendiger Transparenz eingesetzt. Desweiteren sind Top-Manager und Politiker von der Sorge getrieben, dass ein Zuviel an bereitgestellten Informationen eine Gesellschaft dazu verleiten könnte, sich nur noch mit Aufklärung zu beschäftigen. Woher stammt diese Sorge, Mitarbeiter bzw. Bürger könnten sich wohlmöglich nur noch mit dem Lesen von Informationen und Nachrichten beschäftigen? Es ist die Projektion eines Managers bzw. Politikers, der selbst nichts anderes den ganzen Arbeitstag macht, als mit Informationen und Nachrichten zu dealen, sich durch Verheimlichen abzusichern und darüber seine ’eigentliche Arbeit’, für mehr Ausgleich und Gerechtigkeit zu vernachlässigen.

Transparenz ist mehr als nur ein Modewort. Denn in einer transparenten Umgebung brauchen wir weniger dokumentierte Regeln, als in einer abgeschirmten Umgebung. Wer um die transparente Sichtbarkeit seines eigenen Handels weiß, der hält sich eher an vereinbarte Werte. Unbrauchbare Regeln treten in einer transparenten Umgebung stärker in den Hintergrund. Denn Transparenz sorgt für eine notwendige Angemessenheit und enthebt uns der Aufgabe, Informationen zuzuteilen und zu erfragen. Eingebunden in sichtbaren (transparenten) Gemeinschaften verhalten sich Menschen von Natur aus gerechter.

Gewiss, auch Transparenz hat irgendwo seine notwendigen und ethischen Grenzen. Wer einen Eindruck davon erhalten möchte, wie eine übertransparente Gesellschaft zum Überwachsungsgesellschaft mutiert, dem möchte ich den Roman ’Der Circle’ – von Dave Eggers empfehlen. Aber so weit, wie in diesem Roman, sind wir noch lange nicht. Derzeit kämpfen wir im Jahre 2016 eher mit dem umgekehrten Problem: der Intransparenz.

Wir verzichten heute im Sinne des Datenschutzes auf einen gesundheitsfördernden Datenaustausch zwischen Medizinern, Patienten und Krankenhäusern. Was hier Apothekenverbände, Ärzteverbände, Patientenverbände und Krankenkassen alles schützen wollen, geht zu Lasten der Behandlungen und der Kosten unseres Gesundheitssystems. Doppeluntersuchungen und Doppelbehandlungen kosten Gesundheit und Geld. Kontraindikationen bei parallel eingenommen Medikamenten kosten Leben, Gesundheit und Geld. Resistente Keime kosten abermals Leben, Gesundheit und Geld. Transparente Studien hinsichtlich der Wirkung von Arzneien und alternativen Präparaten könnten Gesundheit und Kosten sparen (siehe: Erklärung vs. Erfahrung – wie wir alternativen Heilmethoden die Anerkennung verweigern).

Weitere Bespiele schädlicher Intransparenz: Wir verzichten auf transparente Notengebung bzw. wir verzichten nicht auf die unsinnige Art Noten zu vergeben. Wir verzichten auf Finanztransparenz, auch wenn hier das Gegenteil behauptet wird. Wir verzichten auf eine Deklarationspflicht für Firmenanteile und zwar ganz gleich, ob diese Firma Gewinne macht, oder nicht. Wir bekommen den Datenaustausch europäischer Geheimdienste nicht umgesetzt, auch wenn dies nach Paris und Brüssel immer wieder beteuert wird.

Transparenz ist ein Zeichen von Vertrauen. Eine transparente Informationsorganisation und Informationsgesellschaft stellt die Öffentlichkeit der Arbeit in den Vordergrund, ohne die Privatsphäre des einzelnen zu verletzen.

Transparenz lohnt immer dann, wenn Transparenz Werte schafft und schützt

Die Piratenpartei fordert jüngst den Schutz von Whistle-Blowern. Das Gegenteil kam dabei heraus. Der Antrag wurde nicht nur abgelehnt, sondern die EU möchte noch vehementer gegen sogenannte Wahrheitsbekanntgeber vorgehen. Jetzt wo ohnehin mit der Türkei kooperiert wird, könnte Erdogan die EU doch gleich beraten. In Zeiten wo Meinungsfreiheit wieder in Gefahr gerät, hat es Transparenz ehr schwieriger als leicht.

Wenn Meinungsfreiheit in Gefahr gerät, dann hat es die Transparenz noch schwieriger. Es waren meist nur die Satiriker, welche es sich stets erlaubten, die Wahrheit zu sagen. Auch wenn sie dies, wie Jan Böhmermann, in überspitzer Form tun. Deutsche Satiresendungen, wie ‚Die Anstalt‘ hatten das Thema Briefkastenfirmen und Steuervermeidung schon Monate vor den Panamapapers thematisiert.

Investigative Journalisten, Whistle-Blower und neuerdings auch Satirikern, denen an der Wahrheit gelegen ist, werden nicht geschützt, sondern sie werden verfolgt. Zum einen von den Verheimlichern und zum anderen von der Justiz. Denn im Sinne der Justiz haben sie sich beim Herausgegeben von Unterlagen oder beim Aussprechen der Wahrheit einer Straftat schuldig gemacht. Und so verfolgen wir die Wahrheitssager und nicht die Ausnutzer unserer Systeme. Auf der einen Seite werden Whistle-Blower nicht geschützt und auf der anderen Seite fordert die Regierung die Herausgabe der Panama Papers von der Süddeutschen Zeitung. Was für eine Doppelmoral!?

„Die Justiz schützt das System und nicht die Wahrheit“

Arbeiten wir nicht gegen, sondern für die Gemeinschaft. Das Verheimlichen von Daten ist im Zuge von ’Leaks und Co’, ’Watch und Co’, ‚Investigativem Journalismus’ und ’Whistle-Blowern’ und engagierten Bloggern langfristig betrachtet zwecklos.

In sozialen Trendkulturen erhält derjenige Anerkennung, der als erster eine Information preisgibt. Also der, der eine Information weder verheimlicht, noch exklusiv nutzt. Das Blockieren von Informationen ist ein Trennungsversuch, der heute nicht mehr funktioniert. Die junge und vielleicht in Zukunft ehrlichere Generation weiß, dass sich in einer stark vernetzten Welt, jede Information ihren Weg ohnehin an die Öffentlichkeit bahnt. Wozu dann der Aufwand, etwas zu verheimlichen. Es bringt ohnehin keinen langfristigen Vorteil und verhindert ein beruhigtes Leben. Zur Erlangung eines Vorteils sollte man heute eher der Erste sein.

Diese sozial-digitale Kultur erschuf unbeabsichtigt ein Bewusstsein für mehr Transparenz. Eine Bereitschaft, in der traditionelles Blockadenverhalten einfach weniger lohnt und Offenheit angesehener ist, als noch vor 10, 20 oder 30 Jahren. Also ganz im Gegensatz zur alten Matrix-Kultur, in der noch das Verheimlichen, das Selektieren und am Ende das Fluten von Informationen im Vordergrund stand.

„Derjenige, der als erster Informationen bereitstellt, der profitiert.“

Socialmedia-Tools wie Twitter und Facebook haben die Gewohnheiten der Gesellschaft verändert. Sehen wir mal von den zu vielen Daten in den Händen weniger Unternehmen und von einer zu langen geduldeten rechten Hetze ab, so basieren die geförderten Tugenden, wie Teilen und Transparenz doch auf einem neuen Denken. Andernfalls wäre Socialmedia niemals ein so großer Erfolg geworden. Die nächste Generation von Politikern, Chefs und Mitarbeitern teilt lieber – als dass, sie trennen möchte. Sie sind offener, bis hin zur Öffentlichkeit. Auch wenn der Umgang mit Informationen und Daten noch nach einem gesunden und angemessenen Maß sucht, so ist mehr Transparenz bei den Socialmedia-Natives zumindest kein reines Lippenbekenntnis mehr.

„Transparenz – eine Form des Teilens“.

Jeff Jarvis drückte es wie folgt aus: ’Facebook ist nicht ein Problem für Unternehmen, sondern Facebook ist in den Händen der konkurrierenden Unternehmen ein Problem’. Ich glaube, dass wir dieses Statement auch auf Staaten übertragen können. ’Facebook und Twitter sind nicht ein Problem für Polen, Türkei oder Russland, sondern Socialmedia, Journalisten und in jüngster Zeit auch Satiriker, sind in den Händen (noch) meinungsfreiheitlicher Staaten ein Problem für Polen, Türkei oder Russland und vielleicht auch bald für Donald Trumps USA.

Andreas Lange – Autor, Referent und Systemberater (Vita)

E-Mail: info@Andreas-Lange-Blog.de

Nachtrag:

18.04.2016: Ein Nachtrag zur Intransparenz: Kein Verbot für Fracking. Gutachten werden abermals ignoriert. Hier werden für die Umsetzung von TTIP Türen aufgelassen. http://www.bundestag.de/presse/hib/201604/-/418656

Weitere Beiträge

 

Zu meinen Büchern:

In meinem Buch ‚Das Ende der Matrix-Kultur‚, habe ich die Abbildung und Auswirkung neuropsychologischer Blockaden im Kontext von Arbeit und Gesellschaft beschrieben.

Im Nov. 2016 erscheint das zweite Buch dieser Reihe. ‚Wo bleibt die Rebellion? Unternehmen in der Pflicht‘ hinterfragt die bisherigen Gesetze der Ökonomie. Sind diese Gesetze vor dem Kontext einer aufklaffenden Schere von Arm und Reich und der drohenden Klimaveränderung noch zeitgemäß? Was können wir tun, um das Finden von Entscheidungen und das Setzen von Zielen auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Wie können wir Unternehmen organisieren, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden?